Als ich als Kind irgendwann erstmals im Geschichtsunterricht von Ariern hörte, war ich sofort froh, dass ich nicht in dieser Zeit gelebt hatte. Arier sollten ja Arier groß, blond und blauäugig sein. Ich war dunkelhaarig, hatte braune Augen und Sommersprossen, das hatte ich sofort verstanden, dass ich sicher nicht passend ausgesehen hätte.
Zur Zeit gibt es ja wieder viele in diesem Land, die was von Ausländer raus sagen. Aber wer sind denn nun diese Ausländer, die da raus müssten? Sind das die Flüchtlinge? Aber wer ist denn da gemeint?
Ich habe mal überlegt und es von mir aus betrachtet.
Wer ist denn Konstanzer?
Ich bin in Konstanz geboren, also schon Konstanzerin. Aber ich bin die erste in meiner Familie, es gibt da also nicht den Stammbaum seit Generationen, der auf lauter Konstanzer zurückführt.
Aber wann wäre jemand den echter Konstanzer, vielleicht bei einem Stammbaum seit dem Konzil vor 600 Jahren? Gäbe es überhaupt Konstanzer, wenn nur die als Konstanzer zählten, die einen Stammbaum seither lückenlos mit Vorfahren aus Konstanz hätten?
Andererseits, gäbe es jemanden, der seinen Stammbaum seit der Gründung durch die Römer nachweisen könnte, wäre das dann ein Konstanzer? Oder wäre es nicht eher ein Römer? Und Römer, sind das dann Ausländer?
Der Einfachheit halber nehme ich jetzt also erstmal an, wer hier geboren wurde, ist also Konstanzer.
In meiner Umgebung ist da jemand, der lebt seit über 40 Jahren in Konstanz, aber der stammt aus einem Dorf bei Singen, das ist zwar Landkreis Konstanz, aber eben nicht direkt Konstanz. Ist er jetzt Konstanzer? Irgendwie schon, oder?
Was ist jedoch mit einer Person, die zwar auch seit Jahrzehnten hier lebt, die jedoch aus einem schwäbischen Ort stammt. Zählt das als Konstanzer, weil dieser Mensch ja im Ländle, also in Baden-Württemberg geboren wurde?
Wer jedoch aus Hessen stammt und jetzt nur zwanzig Jahre hier lebt, sind das Konstanzer? Oder gar die Norddeutschen, die hier leben, sind sie Konstanzer? Im Dialekt sagen wir Zug’reiste, weil wir hören, dass diese Menschen nicht unseren Dialekt sprechen. Aber kürzlich war im Laden vor mir eine junge Frau, die kam aus dem Norden, die sprach jedoch so deutlich hochdeutsch ohne das bei uns übliche „sch“, das fiel mir auf. Die Norddeutschen, die hier leben, wenn die mal in ihre ursprüngliche Heimat fahren, denen sagt man, sie sprächen süddeutsch, denn meist gewöhnen sie sich irgendwann ein stärkeres „sch“ an, als es im Norden üblich ist. Sie fallen also nach einigen Jahren im Norden auf, weil sie nicht mehr so sprechen, wie die Menschen dort, aber hier eben auch. Aber an sich sind doch alles Deutsche, also keine Ausländer, oder?
Bis 1989 waren da noch die Menschen aus der DDR, die waren ja irgendwie schon Deutsche, aber eben auch nicht, denn sie hatten ja nicht denselben Pass, nicht den der BRD. Seither sind es aber definitiv laut Ausweis Deutsche, egal ob sie aus den östlichen Bundesländer kommen oder denen der damaligen BRD.
Der Pass zählt?
Also wäre es der Pass, der zählt, Menschen sind Deutsche, wenn sie einen deutschen Pass haben. Das war das mit der Staatsangehörigkeit. Als ich Kind waren gab es italienische Gastarbeiter, die waren damals zunächst auch nicht so beliebt, die gehörten nicht hierher hieß es. Also die Gastarbeiter, aber das galt natürlich nicht für diejenigen, die die guten Eisdielen eröffneten, die wollte niemand her geben. Die Gastarbeiter hatten also den falschen Pass. Aber viele lebten lange hier und deren Kinder und inzwischen auch Enkel, die haben einen deutschen Pass. Also sind sie doch Deutsche, oder wie wäre da die Definition?
Geflüchtete sind Ausländer?
Da heißt es zuweilen jedoch, die seien trotzdem Ausländer, weil die ja irgendwann mal Wirtschaftsflüchtlinge waren. Also nicht nur Kriegsflüchtlinge über die man scheint’s eher noch hinweg sehen kann, sondern Wirtschaftsflüchtlinge. Geflüchtete sind also falsch. Aber da waren doch auch unzählige, die im oder nach dem zweiten Weltkrieg aus den Gegenden fliehen mussten, die mal deutsch waren, aber dann nicht mehr. Heute sind viele dieser Gegenden andere Länder und wer heute von dort kommt, wird als Ausländer betrachtet. Da fragt dann niemand mehr nach etwaigen deutschen Vorfahren. Geflüchtete zählen also auch mal zu denen, die dann doch irgendwie Deutsche werden und mal zu denen, die trotz deutschem Pass nicht von hier stammen?
In Konstanz gibt es heute Dönerbuden, türkische Nudelkneipen, griechische, italienische, chinesische, libanesische Restaurants. Massagen können thailändisch sein, der Lebensmittelladen asiatisch. All die Menschen, die solche Angebote machen, stammen nicht schon immer und ursprünglich aus Konstanz, aber bei denen sagen auch die heftigsten Kritiker nicht, sie gehen jetzt zum Geflüchteten einkaufen, zum Ausländer zur Massage, oder zum Flüchtling essen.
…aber die Muslime?
Spätestens da gibt es mittlerweile unzählige Vorurteile. Einerseits leben schon lange rund 5% Muslime in Deutschland. Wer einen Döner kauft oder türkische Nudeln essen geht, fragt nicht nach der Religion der Personen, die das Essen verkaufen. Wenn der eigene Kollege oder die Nachbarn, die man kennt, Menschen sind, mit denen man guten Kontakt hat, dann ist die Religion dieser Menschen nicht wichtig.
Rund 60% der deutschen Bevölkerung sind Christen und entweder katholisch oder evangelisch. Das ist zwar noch die Mehrheit aber weit entfernt von den 96% die es noch 1961 in Westdeutschland waren. Unsere Welt verändert sich, immer mehr Unternehmen sind international tätig. Nur wenige Menschen leben von Geburt bis zum Tod im selben Ort. Und immer häufiger leben Menschen nicht ihr ganzes Leben in demselben Land. Viele, die laut der Behauptung mancher Ausländer seien, haben einen deutschen Pass. Andere haben zwar einen anderen Pass, leben jedoch seit ihrer Geburt hier und wollen daran auch nichts ändern.
Konstanz, Deutschland ist bunt und international
Ja, als ich ein Kind war, gab es in Konstanz nicht so viele Menschen anderer Nationen, wie heute. Für mich waren waren die ersten, offensichtlich anders aussehenden Menschen, teils die Japaner im Fernsehen, bei den Olympischen Spielen von Sapporo, aber auch irgendwann mal im Zug der erst dunkelhäutige Mann. Ganz anders war es schon ein Vierteljahrhundert bei meinem Sohn, die Eltern der anderen Kinder kamen aus verschiedensten Teilen der Welt und es gab Kinder die eben nicht europäisch aussahen.
Von dieser Selbstverständlichkeit sind jedoch leider all diejenigen weit entfernt, die noch nicht einmal Geflüchtete aus Kriegsgebieten aufnehmen wollen, weil diese nicht in ihr eingeengtes Bild von Deutschland passen.
Nochmal zurück nach Konstanz, in meiner Kindheit, waren die Gastarbeiter nicht sehr beliebt, es gab viele Schimpfworte und dabei waren doch womöglich manche, diejenigen, deren Urururur…-Ahnen Konstanz gegründet haben.
Und übrigens, die Schatten aller Menschen sind dunkel im Sonnenlicht und man kann nicht sehen, aus welcher Region die Person stammt.
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