Der erste Bericht des Monats kam am 1.11. daher steht der noch mit bei den Infos vom Oktober. Zwischendurch gabs mal Probleme mit Internetzugang, einige waren teils unterwegs, daher erst jetzt die neuesten Berichte: (ich schreibe meist nach einem Bericht grad wieder einen Kommentar, deshalb bezieht sich „jetzt“ in diesem Fall auf den 12.11. für diesen Teil)
12.11.08 Grün
Tobias: „Israel hat gestern gewählt: in allen großen Städten wurden die Bürgermeister und Stadtparlamente gewählt. In Jerusalem wurde Nir Barkat, linker Säkularer gewählt, meiner Meinung nach die bessere Alternative zu einem Ultra Orthodoxen und einem zwielichtigen russischem Milliardär.
Unser Volontärsseminar im Nachscholim Kibbuz bei Haifa am Mittelmeer war sehr schön: interessantes Seminar zum Thema Jugned- und Jugendsozialarbeit, super Wetter, auch noch zum baden im Meer, sehr schöner Kibbuz mit vielen Hängematten und gutem Essen. Katrin, Leo und ich waren nach dem Seminar noch in Haifa; Leo und ich noch weiter im Norden und in Nes Amim, dem einzigen christlichen Kibbuz im Land.
Katrin und ich haben am 3. November mit dem Ulpan begonnen und habe eine sehr nette, hälftig deutschsprachige Klasse und super Lehrerin. Nur mit den Hausaufgaben kommen wir kaum nach.
Morgen gehen wir hoffentlich zum letzten Mal ins Innenministerium, um die Unterlagen für unsere Visa abzugeben. Inshallah klappt es diesmal.“
Rüdi: „In den letzten nun schon zwei Wochen hatten wir die meiste Zeit wie immer einige Gäste, so dass wir im Gästehaus sehr gut eingebunden waren. Unter anderem war auch Frau Nothnagle vom Berliner Missionswerk da (Zuständige für Talitha Kumi und Betreuerin der BMWler). Die letzten Tage wurde es jedoch im Gästehaus wieder etwas ruhiger. Dafür legen wir aber mit dem Patenschaftsprogramm los. Hier sind wir nun voll eingebunden, da das deutsche Patenschaftsprogramm angefangen hat. Folglich machen wir hunderte von Fotos und werden die nächsten Tage viel Zeit mit der Gestaltung der Karten gemeinsam mit den Schülern verbringen. Eva I. hat ihr 4+1-Projekt jetzt fest und ist auch schon tatkräftig mit Vorbereitungen beschäftigt. Rüdiger hat sein nächstes Mallör überstanden, ihm wurde ein eingewachsener Zehnagel vom Doktor herausgeschnitten. Freizeitmäßig waren wir letzte Woche auf dem St. Martinsumzug in Jerusalem, der von der Erlöserkirche angeboten wurde. Hier hat Richard unter anderem mit Chris zusammen für die Musik gesorgt. Außerdem hat eine der Betreuerinnen aus dem Mädcheninternat geheiratet und dies selbstverständlich auch gefeiert.“
Nun, dass Rüdi fast immer irgendwas hat, das liegt nicht an Palästina, das ist fast immer so. Insgesamt machen die Rückmeldungen den Eindruck, dass es ihm gutgeht und er sich wohlfühlt. Leider ist er auch weiterhin eher schreibfaul und schreibt nur die Berichte, die er muss, sonst jedoch eher wenig.
So richtig habe ich mich nach wie vor nicht an Palästina gewöhnt. Ich habe mir den Feed für den Nahen Osten von yahoo abonniert, nur Palästina gab es nicht. Jedenfalls beim Überfliegen der Überschriften erschrecke ich weiter, wenn es Berichte von Toten gibt. In letzter Zeit waren die dann meist nicht aus der Ecke, in der Rüdiger grad ist, aber das sehe ich ja erst auf den zweiten Blick.
19.11.08 Grün
Tobias: „am Montag haben wir uns bei Pfannkuchen und Tee in Talitha getroffen um aktuelle Dinge zu besprechen: Weihnachts-, Silvester-, Urlaubs- und Besuchsplanungen und die Visaangelegenheiten. Erfreulicher Weise haben Katrin und ich seit letzter Woche ein Visum! Tobi und Chis haben an der Jordanischen Grenze drei weitere Monate bekommen. Diese werden jetzt schnell in Volontärsvisa umgewandelt.
Nicht ganz so gut wie in unserer Ländergruppe sieht es momentan in und um Gaza aus: gestern haben israelische Panzer die Grenze des Gazastreifens überquert, der Raketenbeschuss (170 letzte Woche) und die Blockade dauern weiter an. Die vereinbarte Waffenruhe droht zu brechen. Wir bekommen davon jedoch glücklicherweise nichts mit.“
Eva: „Uns geht es wunderbar. Vormittags sind wir diese Woche schwer mit Karten malen für das Patenschaftsprogramm beschäftigt, dafür war ja Samstag auf grund des palästinensischen Unabhängigkeitstages frei. Selbiger ist an Talitha (und ich glaube auch sonst an den meisten) nahezu unbemerkt vorbei gezogen. Wir haben den Sprachkurs bei Aida nach einer kleinen Pause wieder aufgenommen, und auch bei Saki in Talitha, unserem anderen Lehrer, geht es voran. Unsere Visa haben wir leider immer noch nicht, aber die Pässe sind ja schon unterwegs, so dass das hoffenlich bald alles erledigt ist.
Als nächstes wollen wir endlich unsere Küche umgestalten und mit den Mädchen aus dem Internat das Gebäude weihnachtlich dekorieren – das hat aber ja noch etwas Zeit. Doch die Vorbereitungen sind in Talitha schon zu spüren…“
Da ich ja noch nie in Palästina oder Israel war, fehlt mir grad so in Richtung auf die Adventszeit die Vorstellung. Klar, im Grunde weiß ich, dass es dort kaum Christen gibt, also auch kein Weihnachten, keine Adventszeit, keinen Weihnachtsmann, kein Christkind… Jedoch so mitten in Europa mit Weihnachtsbeleuchtung, Werbung, Weihnachtsmärkten, Tannenzweigen, Kerzen, Weihnachtsgebäck usw. fällt es mir schwer mir vorzustellen, wie die Freiwilligen mit den Kids dort Weihnachtspost schreiben, ohne dass es dort Anzeichen dafür gibt.
26.11.08 Grün
Tobias: „das Willy Brandt Zentrum stürmt Talitha! Heute sind wir mit einer Vorhut von 15 Mann angerückt, morgen kommennoch mal 50. Das sollte die Talithas auf Trab halten.“
Rüdi: „In Talitha ist alles schön und gut, wenn auch stressig. Das Patenschaftsprogramm schafft uns ordentlich, aber so langsam aber sicher haben wir sowohl das englische als auch das deutsche Patenschaftsprogramm durchgezogen, auch wenn es mit viel Stress verbunden war. Wir also demnach oft im Kunstunterricht der Klassen saßen und die Schülerinnen und Schüler bei dem Kartenmalen und Kartenbeschreiben unterstützt haben.
Ansonsten sind wir auch bei SMV, Mediation etc. hier und da am werkeln. Außerdem kam heute Tobi mit seiner Gruppe aus dem WBZ an. Hier dürfen wir also auch die nächsten Tage im Gästehaus ordentlich ran. Außerdem stehen nächste Woche die Fit- Prüfungen der 7. Klasse und 8. Klasse in Deutsch an, folglich sind wir auch dabei eingespannt.
Eva I arbeitet außerdem kräftig in ihrem 4-1- Projekt und gibt Englischnachhilfe bzw. hat sie letzte Woche Lasagne gemacht.“
Ich hab Rüdi so zwischendurch mal gefragt, was es so zu essen gibt, denn klar, bei Muslimen gibts schon mal kein Schwein. Rind gäbe es auch kaum, da es sehr teuer sei, wenn Fleisch dann vor allem Geflügel. Rosenkohl und Blumenkohl oder Spätzle hielt ich auch für unwahrscheinlich… ;-) Rüdiger schrieb es gäbe viel Reis, der jedoch deutlich besser sei, als üblicherweise in Deutschland. Gemüse gäbe es auch viel und in guter Version, jedoch eben eher anderes als bei uns, zubereitet am ehesten vergleichbar mit Auberginen. Insgesamt sei das Essen sehr gut, nur die Wurst sei eher nicht so, wie wir das kennen und mögen.
Leider gibts noch immer keine Bilder von Rüdi aus Talitha oder von der Umgebung oder so… Er hat jetzt zwar seit einigen Wochen eine funktionierende Kamera, aber bislang kam bei mir trotzdem noch kein Bild an.
Zwischendurch kam mal ein Hinweis auf die neue Ausgabe der Freiwilligenzeitschrift von www.wortwechsel-weltweit.de, leider gibt es die nur als PDF, was ich doch eher mühsam zu lesen finde. Auf einen Artikel möchte ich aufmerksam machen. Dieser stammt zufällig von Thilo, einem Freiwilligen, der im letzten Jahr in Talitha war. Ich denke die Gedanken und Hinweise gelten jedoch nicht nur für Freiwillige nach einem Jahr in Palästina. Denn in abgeschwächter Form kenne ich ähnliches nach nur je einem Semester in Kopenhagen und das ist noch deutlich ähnlicher an deutschen Verhältnissen als Palästina, Südamerika und Afrika, wo sich die meisten Freiwilligen aufhalten.
Auszug aus dem gleichnamigen Artikel von Thilo Nonne, Freiwilliger 2007/2008 in Talitha, Palästina
Kulturschock!
„Ein mächtiges Wort, doch was steht eigentlich dahinter? Zurück in Deutschland: schlechtes Wetter, trübe Stimmung, emotionales Loch…
Vor dem berüchtigten Kulturschock wird jeder und jede unzählige Male gewarnt, wenn er oder sie sich in einen anderen Kulturkreis aufmacht. (…)was ist eigentlich ein ¾Kulturschock“ bzw. ein ¾Rückkehrschock“?
Selbst wenn man in der Theorie viel darüber hört, muss man es selbst erleben um es richtig zu verstehen.
(…) Mein persönlicher ¾Schock“ bestand darin, ununterbrochen als Ausländer aufzufallen. Dieses Gefühl, unter ständiger Beobachtung zu stehen, führte zu einer Anspannung, von der ich mich nur in den eigenen vier Wänden befreien konnte.
(…) Erst als ich mich nach einer Weile an den Status des auffälligen Ausländers gewöhnt und genug Selbstbewusstsein gefasst hatte, konnte ich mich auch in belebter Öffentlichkeit entspannt bewegen.(…) Was ist ein ¾Rückkehrschock“? Zu Hause kennt man doch alles und in einem Jahr ändert sich doch nicht so viel, dass man davon so schockiert werden könnte. Leider ist, denke ich, genau das der Grund, warum viele von dem ¾Rückkehrschock“ noch härter getroffen werden. Die Rückkehr wird bei weitem nicht so gespannt und interessiert angetreten wie der Aufbruch.
(…) Um dem ganzen entgegenzu wirken schlage ich die gleiche Taktik wie beim ¾Kulturschock“ vor. Man muss den Rückkehrschock in jeder Situation erwarten und sich auf ihn freuen. So ist es unwahrscheinlicher, dass man ihn unerwartet antrifft. (…) Ich hatte also die Möglichkeit, mich schon gedanklich auf eine unangenehme Zeit vorzubereiten. In Deutschland angekommen habe ich also nicht mehr damit gerechnet, dass sich alle Menschen für das interessieren, was ich erlebt habe. Stattdessen habe ich mich bemüht zu erfahren was sich bei ihnen abgespielt hat und habe versucht, alles Neue in meinem Umfeld zu entdecken.(…) Um ein kleines Fazit aus meinem Erlebten und den daraus entstandenen Gedanken zu ziehen, möchte ich alle Leserinnen und Leser dazu ermuntern ihre Umwelt, sei es eine komplett neue oder eine lang bekannte, immer wieder neu zu entdecken und sich von ihr faszinieren zu lassen.“
Soweit ich das nach dem Bericht beurteilen kann, ist es Thilo gut gelungen; die beiden Wechsel, einmal in eine ganz andere Umgebung und andererseits wieder aus dieser zurück, für sich zu lösen. Ich wünsche schon jetzt allen Freiwilligen, dass ihnen das ähnlich gut gelingen möge.
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