Auch bei den Freiwilligen machte sich die Adventszeit bemerkbar. Im Nachhinein erstaunlich, schien nichts darauf hinzudeuten, dass es so schnell zu diesem massiven Kriegseinsatz kommt.
04.12.08 Grün
Tobias:
„die Adventszeit hat mit drei Adventskalendern, einer Lichterkette und eine Adventskranz Einzug in die neu gestrichene Super-WG genommen. Jeden Morgen packen wir ein oder zwei Päckchen aus, riechen am Tannengrün und trinken heißen Tee. Heiß her geht es zur Zeit auch in Hebron, wo heute Nacht oder Morgen noch ein besetztes Haus geräumt werden soll. Heute war in der Ha’aretz zu lesen, dass 400 Siedlerkinder zur Zeit die Schule schwänzen, um in Hebron Steine zu werfen und Krawall zu machen. Die Stadt wurde teilweise zum Sperrgebiet. Ich war am Montag mit UN-Beobachtern dort und konnte mir ein Bild von der Lage machen.
Ansonsten ist die Lage tatsächlich vorweihnachtlich ruhig.“
Talitha Kumi, Beit Jala
Leider keine Meldung :-(
Nachgereicht im Lauf des Tages von Eva:
„Leider ist Talitha im Patenschaftsprogramm versunken und konnte sich deswegen nicht melden, dafür ist es jetzt aber FERTIG! Zumindest das deutsche. Die Party ist in Planung! Aber erst wenn das englische dann auch fertig ist. Nochmal Grund zum Feiern ist, dass wir alle unser VISA bekommen haben!
Hier sieht also alles wunderbar aus, und ganz im Gegensatz zu Tobis Annahme hat uns die Willy-Brandt-Gruppe gar nicht arg gestresst.
Rüdi ist leider immer noch ein bisschen krank, auch sonst geht hier die Erkältung um. Evas Salsakurs ist fürs erste wieder zu Ende, abgeschlossen mit einer coolen Salsaparty am Samstag, wird aber im Januar wieder aufgenommen für den Fortgeschrittenen-Kurs.
Für die Boarding Section haben wir einen Adventskalender gebastelt, über den sie sich sehr gefreut haben. Am Dienstag waren FiD2 Prüfungen, am Freitag folgt die mündliche.
Richard ist fleißig am Proben für das Adventskonzert am Samstag, auf das wir uns alle sehr freuen!“
Am 8.12. entschloss ich mich Rüdi zu besuchen und buchte den Flug für den 16. Dezember.
11.12.08 Grün
Tobias:
„die Herbstsonne scheint auf dem Ölberg und langsam wird es kalt in Jerusalem und Bethlehem. Gegen Jahresende kommen und kamen schon einige Besucher, das ist wohl auch der Grund für die Verspätungen und das Ausbleiben einiger Meldungen. Ansonsten ist alles schön, ruhig und friedlich.“
Eva:
„In Talitha ist wie immer alles in Ordnung. Das englische Patenschaftsprogramm ist jetzt auch fertig. Grade sind Schulferien dank Opferfest, aber die letzten zwei Tage waren wir mit 100 Gästen von der Caritas Jerusalem beschäftigt. Eva war mit Richard in Tel Aviv, wo es sogar noch badewetterwarm war. Wir sind immer noch etwas am kränkeln, sammeln aber Kräfte für die letzten zwei Wochen des Schulhalbjahres, samt Final Exams für die Schüler.“
Vom 16. bis zum 23. war ich dann selbst in Palästina und übernachtete in Talitha, dazu mehr in nächster Zeit in eigenen Beiträgen.
17.12.08 Grün
Tobias:
„der Großteil von uns hat sich am Montag auf dem Krippenplatz zur Erleuchtung des Christbaumes vor der Geburtskirche in Bethlehem versammelt. Es war eine schöne Feier, mit Dudelsackmusik, Gesang und Feuerwerk. Vielerorts hängen bunte Lichterketten und es wurde viel weihnachtlich dekoriert.“
Eva:
„In Talitha geht alles seinen gewöhnten Gang. Allerdings nicht mehr lange: Walid wird noch diesen Monat Talitha verlassen. Walid führt das Gästehaus und scheint uns allen in diesem Posten unersetzlich. Sieht so aus, als müssten wir uns für die Gäste eine neue Antwort auf sämtliche Fragen überlegen, denn „Ask Walid!“ wird wohl nicht mehr möglich sein.
Wer den Posten übernehmen wird, ist leider noch nicht klar. Mit gemischten Gefühlen blicken wir in die Zukunft: Trauer um diesen Verlust und Hoffnung auf einen guten neues Leiter, mit dem vielleicht auch neue Vereinbarungen getroffen werden können. Eva wird vermutlich auch im Januar in eine eigene Wohnung ziehen, unsere Mitvolontärin Annika im Januar nach Deutschland zurückkehren. Im neuen Jahr warten also einige Veränderungen auf uns, doch noch freuen wir uns auf Weihnachten und sind fleißig am Sterne basteln.“
In der kurzen Zeit, die ich dort war konnte ich bereits sehen, welch ein Verlust Walid sein wird, denn für sehr viele Fragen kam von allen die Antwort: Frag Walid! Ich war erstaunt wie weihnachtlich es in Talitha dekoriert war, zu kaufen gibt es kaum weihnachtliches in der Region, aber das wurde durch unzählige selbst gebastelte Dekoration problemlos ersetzt.
31.12.08 Grün
Tobias:
„auf eine sehr schöne Weihnachtszeit folgt jetzt eine angespannte Phase im Schatten der Kriegsereignisse in und um Gaza. Doch chronologisch: Heiligabend waren wir zuerst in der Weihnachtskirche in Bethlehem, im internationalen Gottesdienst. Anschließend haben Katrin und ich unsere sieben Mitfreiwilligen mit drei Gängen bekocht, bevor es zur Bescherung ging. Nach dem deutschen Gottesdienst und einer Tasse Glühwein in der Erlöserkirche sind wir dann um Mitternacht nach Bethlehem gelaufen. Dort haben wir in der Geburtskirche noch ein paar Weihnachtslieder gesungen.
Leo und ich haben auch die beiden Feiertage miteinander verbraucht und waren unter anderem auf dem Weinberg bei Bethlehem.Zusammen mit Katrins Papa waren Leo und ich bei Beginn der überraschenden Luftangriffe am Samstag in Hebron. Dort eskalierte die Situation schnell: es flogen Steine gegen Checkpoint und Soldaten im Stadtzentrum, das Militär schoss Tränengas und später auch scharf, fünf Menschen wurden getötet. Auch in Bethlehem kam es zu Demonstrationen.
Sonntag und Montag waren alle arabischen Geschäfte in Jerusalem und Bethlehem geschlossen, es gab wieder Demos. Das Polizei- und Militäraufgebot wurde auf 10.000 Kräfte in Jerusalem erhöht. Vor allem in Ostjerusalem brennen Mülleimer, Reifen und Autos, es kommt zu Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften.
Seit gestern ist es wieder ruhig, die Läden sind wieder geöffnet. Beunruhigend sind die andauernden Angriffe auf Gaza, die bevorstehende Bodenoffensive und die Reichweite der Raketen aus Gaza, die mittlerweile das 40 km entfernte Beersheba erreichen.
Die Situation für uns ist jedoch keinesfalls dramatisch oder gefährlich. Wir bekommen täglich die Sicherheitswarnungen von der Botschaft und begeben uns nicht mehr in die Westbank (Ausnahme Bethlehem/Beit Jala) und Demonstrationen. In Bethlehem ist die Lage laut SOS-Freiwilligen Tobi und Chris nicht anders als sonst. Es kommt dort regelmäßig zu Demonstrationen.
Ein unwohles Gefühl bleibt dennoch, wenn man die Nachrichten liest oder im Fernseher sieht, die Sirenen in Jerusalem hört oder im Bus wieder an Anschläge denken muss.
Hoffen wir, dass – entgegen den Meldungen – die Angriffe von beiden Seiten schnellstmöglich aufhören und Spirale der Gewalt durchbrochen wird.“
Eva:
„In Talitha ist die Lage sehr ruhig, weit ab vom Schuss bekommen wir nichts von den Vorgängen im Land mit. Rüdi befindet sich gerade sowieso in Ägypten, und auch Eva und Rike nutzten die arbeitsfreien Tage und haben sich in den Norden Israels aufgemacht. Eva S. war für ein paar Tage in Jordanien, Richard haben wir allein zurükgelassen.
Heiligabend haben wir alle sehr genossen, unterwegs im vollem Bethlehem (so voll, dass wir nicht mal in die Kirche kamen) und dann zm extrem leckeren Essen nach Jerusalem. Auch den Fussweg zurück haben wir sehr genossen. Dann waren wir allerdings todmüde und haben es nicht mehr den Berg rauf geschafft, da musste ein Taxi weiter helfen. Rüdi hat Weihnachten mit seiner Freundin und deren Familie verbracht. Es war ein schönes Fest und wir freuen uns auf Silvester!
Dennoch stehen wir natürlich schon alle etwas unter Strom und sehen sorgenvoll in die Zukunft… hoffen wir auf das kleinste Übel. was auch immer das sein mag.“
Bei diesem Grün, dachte ich zuerst, ich hätte falsch gelesen. Für mich war es alles andere als Grün, denn nicht nur in Gaza starben Menschen, sondern mindestens auch in Hebron wurden Demonstranten getötet.Vereinzelt las ich auch von weiteren Toten bei Demos im Westjordanland, dafür gab es jedoch keine definitiven Bestätigungen. Jedenfalls liegt Hebron nur rund 30 Kilometer entfernt von Beit Jala, dem Ort in dem die Schule Talitha Kumi sich befindet. Bethlehem ist von Talitha in rund einer Viertelstunde zu Fuß erreichbar.
Für mich widerspricht sich, die ruhige Lage und alles sei wie immer mit den Hinweisen auf die Demonstrationen fast überall… Meine persönliche Sicht wäre doch eher Gelb…
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