EMMA voll daneben : Zensursula


Weil mir die Qualität der EMMA in letzter Zeit immer mehr gegen den Strich ging, habe ich mein Abo dieses Jahr gekündigt. Dass ich damit richtig lag zeigt folgender Bericht, der online unter Meinungsfreiheit für Kinderpornos? zu erreichen ist.

Meinungsfreiheit für Kinderpornos?
Lassen Datenschützer und Internet-Freaks sich vor den Karren der Händler und Freunde von Kinderpornografie spannen? Diese Frage muss sich nicht nur Franziska Heine aus Schwerin stellen.

Für mich klingt schon der Einstieg eher nach Bild-Zeitung als seriöser Zeitschrift. Anschließend folgt ein Überblick, in dem einzelne Zitate aus dem Zusammenhang genommen werden und die Situation anhand dessen zu erklären versucht wird. Nun gut, nicht toll, aber meinetwegen:

Der Zorn auf Ursula von der Leyen ist groß. (…) „Die Internet-Community ist gut organisiert.“ (…)

Dem folgen einige Erklärungen was solch eine Sperre eigentlich ist, das passt alles soweit und endet mit dem Hinweis auf das Experiment wie lange es dauert Server abzuschalten.

„Nach wenigen Tagen hatten die Provider 16 der 20 fraglichen Server abgeschaltet.“

Es folgen Hinweise auf die verschiedenen Gruppierungen, wie AK Zensur, CCC und MOGIS sowie deren Standpunkte. Anschließend wird die Ministerin zitiert:

„Selbstverständlich sei das Access Blocking nur Teil eines Gesamtplans, erwidert Ministerin von der Leyen. „Das Wichtigste ist, die Täter zu verfolgen und zu stellen. Zweites Ziel ist, die Quellen zu schließen. Und der dritte, aber unverzichtbare Punkt bleibt: Web-Seiten zu blocken.“ Das macht in der Tat zum Beispiel dann Sinn, wenn der Server, auf dem die Seite liegt, im Ausland steht, so dass Bürokratie oder fehlende Rechtshilfe abkommen das Abschalten erheblich schwieriger machen. Bisher hatten sich die deutschen Provider in diesem Fall auf den Standpunkt gestellt, den Vodafone-Sprecher Thomas Ellerbeck angesichts der tobenden Internet-Community jetzt noch einmal formulierte: „Wir sind keine Internet-Polizei.“ Will heißen: Man wusch seine Hände in Unschuld – und die Seiten blieben im Netz. „Damit“, so das Ministerium, „ist jetzt Schluss“.

Das klingt, als haben die Provider sich geweigert zu löschen und das wunderbare Ministerium hätte das jetzt geändert. Nun, so ist es jedoch nicht. Für das Löschen solcher Seiten bestehen gesetzliche Grundlagen, das war schon immer möglich und auch kein Provider hat sich bisher geweigert. Wie eben auch im Experiment bewiesen, selbst einfache Anfragen von nicht-staatlicher Seite genügten, um Seiten aus dem Netz zu nehmen.

Tja und jetzt dreht der bis dahin überwiegend sachliche Artikel:

Eine Selbstverständlichkeit, möchte man meinen, aber der Chaos Computer Club und seine Mitstreiter wittern in dem Verfahren einen Generalangriff auf ihr Goldenes Kalb: das Internet als antibürgerliche Gegengesellschaft, das nach dem Willen so manchen Nerds tunlichst ein rechtsfreier Raum bleiben soll.

Das Netz ist nicht, war nicht und soll kein rechtsfreier Raum sein, denn _niemand_ hat sich gegen das Löschen solcher Seiten ausgesprochen, wozu jede gesetzliche Grundlage vorhanden ist.

„Strafverfolgung im Netz? Will ich nicht“, schreibt ein User.

Es wird sich zu jedem Thema ein „User-Zitat“ finden, was ausdrückt, was man grad sucht. Für mich ist das schlechter Stil.

Wer einmal anfängt, Inhalte im Netz zu blockieren, so die Schreckensvision, der schrecke bald auch nicht mehr vor der Sperrung illegaler Musikdownloads oder Glücksspielseiten zurück.Dass Ursula von der Leyen unablässig versichert, dass sie all das „überhaupt nicht interessiert“ und für die Sperrung weiterer Inhalte ein ganz neues Gesetzgebungsverfahren eingeleitet werden müsste, interessiert wiederum die Datenschützer nicht.

Aha, _die Datenschützer_ können halt lesen und wissen, dass es bereits Forderungen von Seiten der CDU und der Musikindustrie gibt, es auszuweiten, wie z.B. von Thomas Strobl (CDU) am Abend der Gesetzverabschiedung im Kölner Stadtanzeiger zu lesen war.

Sie sorgen sich stattdessen um User, die „aus Versehen“ auf eine gesperrte Kinderporno-Seite gelangen und deren IP-Adresse, also die Kennung ihres Computers, dabei gespeichert werden könnte.

Ich wüsste zu gern was die EMMA schreiben würde, wenn ihre Redaktion plötzlich wegen eines Links auf solch eine Seite ins Blickfeld des BKA geriete. Ob es der EMMA-Redaktion wirklich egal wäre, wenn alle ihre Besuche auf anderen Seiten mitgeloggt würden, weil sie einmal zu oft auf einem Sperrschild landeten?

Auch so mancher Journalist bläst ins selbe Horn. Zum Beispiel Zeit-Herausgeber Josef Joffe, der erklärt: „Das BKA soll den Providern täglich eine Liste mit inkriminierten Pornoseiten vorlegen? Das nennt man Zensur.“ Wohlgemerkt: Wir sprechen hier von Seiten, auf denen Säuglinge und Schulkinder vergewaltigt und gefoltert werden.

Na bravo, da übernehmen wir doch einfach wieder mal Zensursulas Totschlagargument, drücken es noch schön drastisch aus und haben damit alles gesagt. Was ich davon halte, dass immer besonders deutlich auf die Vergewaltigung von Säuglingen eingegangen wird, habe ich im letzten Teil des Beitrags zu den Zahlen des Missbrauchs ja schon mal ausgeführt.

Der Spiegel sieht Blogger zensurgefährdet, auf deren Seiten durch so genannte Affilate-Vermarkter – also Werbungs-Händlern, die unwissenden Seitenbetreibern Werbung auf ihre Seiten spielen – für kinderpornografische Angebote landen. Darauf antwortet Ursula von der Leyen: „Eigentlich müsste den Seitenbetreibern die Stopp-Seite dann doch willkommen sein. Es kann doch nicht in ihrem Interesse sein, dass unter ihrem Label die Vergewaltigung von Kindern gezeigt wird.“

Hier geht’s jetzt völlig durcheinander. Im Spiegel ging es darum, dass beispielsweise dieses Blog gesperrt würde, das ganze Blog, weil durch eine eingebundene Werbung ein Link zu einer Kinderpornoseite enthalten sein könnte. Nein, ich kann der Ministerin nicht zustimmen, dass ich es gut finde, wenn mein Blog gesperrt wird, weil sich niemand drum kümmert die verursachende Seite zu löschen.

Seit Wochen ist die Ministerin gezwungen, wieder und wieder zwei Selbstverständlichkeiten auszusprechen. Erstens: Das Internet ist eben kein rechtsfreier Raum. Zweitens: Datenschutz darf nicht länger Täterschutz sein.

Ohje, die arme Ministerin! Spätestens bei diesem Satz kann ich mich nur noch Stefan anschließen, der sich fragt, ob dieser Artikel von Michaela Noll (CSU) geschrieben wurde, denn das klingt schon nach einem Zitat aus deren Reden.

Erstens: Niemand hat behauptet oder wollte jemals einen rechtsfreien Raum und so ist es auch nicht. Es gibt gesetzliche Grundlagen, um die Seiten zu löschen, die sich nicht an diese Regeln halten.

Zweitens: Die Sperren schützen jedoch gerade die Täter, die damit vorgewarnt werden. Löschen ist der einzig richtige Weg.

„Datenschutzrechtliche Bedenken“ hat nun auch die SPD angemeldet: Auch hier sorgt man sich um die User, die „versehentlich“ auf gesperrte Seiten gelangen, und die Überlastung der Polizei, die das auslösen könnte. Einträge auf der BKA-Liste müssten gerichtlich kontrolliert werden, und überhaupt müsse ein eigenes Gesetz her: Lediglich das Telemediengesetz zu ändern, berge Zensurgefahr. Die Änderung des Telemediengesetzes war jedoch maßgeblich im Hause der sozialdemokratischen Justizministerin mitformuliert worden. Das war allerdings vor dem Sturm der Datenschützer. Handelt es sich bei dem Umschwung womöglich um „Wahlkampfgetöse“?

Nunja, zur SPD muss ich nach der Abstimmung ja wohl nichts mehr sagen, siehe auch das Video: Wer hat uns verraten? Dass das Gesetz in seiner beschlossenen Fassung Zensur ist, werden jetzt hoffentlich die Richter des Verfassungsgerichts bestätigen.

Dabei wird „Zensursula“ von jenen gestützt, die sich seit jeher intensiv dem Kampf gegen die Kinderpornografie widmen. „Wer die Brutalität der Filme kennt, der weiß: Hier sind datenschutzrechtliche Belange absolut sekundär“, sagt Manfred Paulus, Kriminalhauptkommissar und Autor der Bücher „Grünkram – die Kinder-Sex-Mafia in Deutschland“ und „Pädokriminalität weltweit“. „Viel wird sich durch das Blocken am Milliardenmarkt Kinderpornografie nicht ändern“, sagt auch er. „Dennoch ist es ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.“ Größere Schritte müssen dringend folgen: „Diese Dinge schreien nach einer konsequenteren Handhabung und Strafverfolgung.“

Im Grunde ist in dieser Aussage der Kern enthalten, es geht um eine konsequente Handhabung und Strafverfolgung, sprich es wäre nur logisch zu Löschen und die Täter zu verfolgen. Stattdessen wird gesperrt und manche Täter damit auch noch vorgewarnt.

Zum Beispiel nach einer Aufstockung der gerade einmal ein Dutzend Beamten zählenden Abteilung, die im BKA für die Bekämpfung von Kinderpornografie im Netz zuständig ist. „Es wird dringend mehr Personal und Know-how benötigt“, bestätigt Paulus’ Co-Autor,

Soweit so klar, nur was hat mehr Personal damit zu tun, Sperren einzurichten und wie sollen die sowieso schon zuwenigen Beamten sich nebenbei noch um die ständig zu aktualsierenden Sperrlisten kümmern?

der Polizeipsychologe Prof. Adolf Gallwitz, der einen weiteren Punkt für zentral hält: „Wir müssen verhindern, dass Viertklässler selbstverständlich mit den unglaublichen pornografischen Bildern im Internet aufwachsen. Denn das wird die nächste Generation der Konsumenten.“

Juhu, es fehlt wirklich kein Blödsinn, hier ist gleich beides drin:

  • …wer nicht alles zufällig ständig auf die Kinderpornoseiten kommt
  • …wer es einmal sieht, will sofort noch mehr Kinderpornos, die Besucher werden sozusagen angefixt

Ja klar, ich kenne viele Menschen, die seit vielen Jahren im Netz unterwegs sind, die noch zu Zeiten schon im Netz waren, als eine Googlesuche zu fast jedem Thema auch immer mehrere Links auf Sexseiten enthielt. Ich kenne niemand, mich eingeschlossen, der jemals dabei auf einer Seite mit Kinderpornographie landete.

Und noch schlimmer die Behauptung, dass gesunde und normal veranlagte Viertklässler so zu Konsumenten werden. Merkt weder der Autor des Satzes noch irgendjemand in der EMMA-Redaktion was für eine bodenlose Unterstellung das ist?

„Handeln statt Sperren!“ fordert auch der „Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur“. Handeln sollen aber offenbar die anderen.

Das BKA wird __geheime__ Listen führen und diese vertraulich an die Provider zur Sperrung weitergeben. Was bitte soll nach Meinung der EMMA irgendjemand außer dem BKA dann tun?

Zwar hackten die Internet-Cracks inzwischen die Seite der Deutschen Kinderhilfe und platzierten dort eine „Todesanzeige für die Meinungsfreiheit“.

Ja, es gab leider einen Idioten, der die Seite gehackt hat, das war trotz gutgemeinter Gründe blöd. Hatte jedoch nichts mit dem AK Zensur zu tun.

Auf CCC-Mitglieder, die ihre Computerkenntnisse nutzen, um Anbietern von Kinderpornos das Handwerk zu legen, wartet man dagegen vergebens.

Hä, bitte was?

Wenn das BKA Seiten nicht löschen lassen will, dann soll der CCC die so hacken, dass sie nicht mehr gesperrt werden müssen oder was soll uns dieser Spruch sagen?

„Nun könnte man die lärmende Ablehnung jeder staatlichen Regulierung und Rechtsdurchsetzung vielleicht sogar als romantische Utopie belächeln, wenn die Ideologen der Freiheit gelegentlich einmal selbst einen Gedanken darauf verwenden würden, wie sich der Missbrauch des Mediums eindämmen ließe“, schreibt Heinrich Wefing in der Zeit.

„Wir vermissen die Unterstützung der Internet-Community, die uns sagt, wie wir dem wachsenden Problem der Kinderpornografie im Internet Herr werden können. Diese Stimmen sind bisher kaum zu hören“, bedauert auch die handelnde Ministerin.

Aha. Nun die Stimmen der Internet-Community findet man in z.B. in den über 500.000 Ergebnissen bei Google für „Zensursula“. Die Stimmen fand man in der Petition. Die Stimmen waren bei Mahnwachen und Demonstrationen. Der AK Zensur führte Gespräche.

Die Stimmen sind da, die Hinweise zu Lösungen vielfach intensiv dokumentiert und wurden in verschiedensten Formen (keinesweges nur online, auch persönlich, schriftlich usw. ) direkt ans Familienministerium und die Ministerin weitergegeben.

Dürfen wir demnächst mit einer Petition von Franziska Heine, der „Jeanne d’Arc des Internets“, für eine Aufstockung der finanziellen und personellen Mittel des BKA zur Verfolgung von Kinderpornografie rechnen? Und wie viele UnterzeichnerInnen würde diese Petition wohl finden?

Wenn es der EMMA so wichtig ist, warum nutzt sie dann nicht ihre Bekanntheit, richtet eine solche Petition ein und fordert dazu auf zu unterzeichnen?

Übrigens, gern hätte ich die Autorin des Artikels genannt, falls es doch nicht Frau Noll von der CSU war, aber solche Informationen, wie Autorin veröffentlicht die EMMA auf ihrem Internetauftritt nicht…

Gelesen hatte ich den Bericht vom 18. Juni, bereits vorgestern, als Frank Alvar Freude bei Twitter zitierte, der auf den Artikel verlinkte. der „aktuelle“ Newsletter der EMMA wies jedoch heute nochmals unkommentiert darauf hin. Ursprünglich dachte ich, es kämen dort soviele Hinweise an, dass ich nichts dazu schreiben muss, wenn jedoch nach vier Tagen der Newsletter unkommentiert den Artikel nochmals bewirbt, dann wird es Zeit die Redaktion mal darauf aufmerksam zu machen. Ich werden den Artikel auch noch per Mail an die Redaktion der EMMA senden.


13 Antworten zu “EMMA voll daneben : Zensursula”

  1. Ich habe jetzt irgendwo aufgeschnappt, dass weltweit – ausgenommen sind nur zwei Staaten – Kinderpronographie verboten ist. Das heisst, dass es weltweit möglich ist, die Server vom Netz zu nehmen und Forensik zu betreiben, um an die Hintermänner zu kommen und die Kinder zu retten …

  2. Ja, es gibt zum einen kaum Länder in denen es nicht verboten ist – mir egal ob zwei oder vielleicht sogar fünf.

    Zum anderen habe ich mehrfach gelesen, dass selbst da Provider meist dran interessiert sind sich die Nutzer aus anderen Ländern zu erhalten und auf Anfrage löschen, selbst wenn sie es gesetzlich nicht müssten.

    Es gibt keinen Grund etwas zu sperren.

  3. Bin mal gespannt, ob sich von der EMMA-Redaktion mal noch jemand meldet… Ich glaube es ja eher nicht, aber wer weiß, vielleicht unterschätze ich die Damen… ;)

  4. Ãœbrigens:
    Your message

      To:      Redaktion; Briefe; onlineredaktion
      Cc:      Alice Schwarzer; Info
      Subject: Artikel leider auch sachlich falsch Kinderpornographie
      Sent:    Mon, 22 Jun 2009 14:45:34 +0200

    was deleted without being read on Tue, 30 Jun 2009 18:22:30 +0200
    unnamed

    ########## na denn… ###################

  5. Ich kann so etwas dilletantisches nicht verstehen. Wenn schon eine Mail-Adresse angegeben wird, sollte sie auch abgerufen und bearbeitet werden. Billiger als durch E-Mail kann man keinen Kontakt zu seinen Kunden halten …

  6. Ich verteidige ungern, aber:
    bei Outlook werden solche Mitteilungen versendet, wenn man die Nachricht nur im Ãœberblick liest ohne sie zu öffnen.

    Es kann sein, dass sie gelesen wurde, aber der Hinweis rausging.

    Allerdings sollte man das wissen und dann müsste es nicht so offensichtlich als Meldung verschickt werden…

    Trotz allem wäre eine Antwort nett gewesen…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert