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Musterländle Baden-Württemberg

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Vor ein paar Tagen bekam ich von Herbert einen ganz ausführlichen Kommentar zum Artikel mit der Landkarte Baden-Württemberg. Diese Fülle an weiteren Informationen möchte ich nicht einfach nur im Kommentar stehen lassen, eine Stelle, die nur wenige lesen. Deshalb nehme ich es hier in einen eigenen Beitrag auf.

1. Schwaben ist nicht Württemberg! Schwaben (in der Bedeutung: Sprecher eines schwäbischen Dialekts; wobei die Abgrenzung sehr schwammig ist (siehe 2.); bis ins 19. Jh. galten alle rechtsrheinischen Alemannen als Schwaben) gibt es (heute!) auch in Bayern, im ehemaligen Hohenzollern (das auf eurer Karte fehlt), im ehemaligen Baden und sogar in Tirol. Außerdem gibt es auch Nicht-Schwaben (Franken) im ehemaligen Württemberg.

Prinzipiell wussten wir/ich schon, dass Schwaben und Württemberg nicht identisch ist, weil die sprachlichen Bereiche nicht mit den geografischen übereinstimmen. Dass manches auf der Karte nicht vollständig ist, liegt auch daran, dass die Karte auf Grund unserer Überlegungen des ehemaligen Grenzverlaufs entstand.

2. ¾Badisch “ ist kein Dialekt! Im ehemaligen Großherzogtum Baden spricht man fränkische (Südfränkisch, Ostfränkisch, Kurpfälzisch) oder alemannische Dialekte (Niederalemannisch, Hochalemannisch, Schwäbisch und als Übergangsdialekt Bodenseealemannisch, welches noch vor einigen Jahrzehnten eher dem Niederalemannischen, heute aber eher dem Schwäbischen zugeordnet wird, wahrscheinlich, weil es von diesem schwieriger abzugrenzen ist), von denen viele auch außerhalb Badens gesprochen werden. Historisch ist Schwaben übrigens nur ein anderes Wort für Alemannen, weshalb eigentlich nicht nur alle Schwaben Alemannen, sondern alle Alemannen auch Schwaben sind. Daran sollten zumindest Südbadener denken, bevor sie wieder über Schwaben herziehen. Ein Beispiel: Noch 1837 (Ghzm. Baden gabs da schon etwa 30 Jahre) schrieb Gustav Schwab in seinen ¾Wanderungen durch Schwaben “ über Orte wie Baden-Baden, Freiburg, Badenweiler oder Konstanz.

Tja, dass der badisch-schwäbische Konflikt kaum haltbar ist, war uns klar. Denn selbst bei Roland, dem Schwaben unserer Beziehung, passt das schon kaum, da die Familie mütterlicherseits badischer Abstammung ist. Die verschwimmenden Grenzen, die eigentliche Zusammengehörigkeit, diesselbe Abstammung sind ein weiterer Hinweis darauf, dass es keinen sinnvoll belegbaren Grund für dieses immernoch bestehende Geläster über die jeweils anderen gibt.

Bezogen auf das Bodenseealemannisch kommt ja noch hinzu, dass es selbst innerhalb des Großraums Konstanz je nach Ortsteil eher schwäbisch oder eher badisch mit Tendenzen ins Schweizerische gesprochen wird. Vor kurzem war ich im Malereinkauf und nach einem Satz von mir ging die Diskussion unter den vier Anwesenden aus Konstanz bis Singen los, woher man kommt, wenn man es so ausspricht. ;-)

3. Zitat: ¾Diese Grenze hielt sich, als eine von wenigen, weder an Flussläufe, noch an Berge oder andere landschaftlich vorgegebene Punkte. “ Genau. Das kommt daher, dass sie unter Napoleon willkürlich gezogen wurde; es wurde auch danach noch munter hin- und hergetauscht, um Grenzverläufe zu begradigen. Sie hat demnach auch nichts mit sprachlichen oder kulturellen Grenzen zu tun.

Das Willkürliche ist auch nicht zu übersehen. ;-)

4. Schwäbisch ist keine Religion! Sowohl das badische als auch das württembergische Herrscherhaus waren protestantisch (Alt-Baden war zwischenzeitlich gespalten, die Baden-Badener Linie war katholisch, die Baden-Durlacher protestantisch). Die Untertanen mussten nach der Reformation die Religion ihres Herrschers annehmen. Allerdings gehörte damals höchstens die Hälfte des Heutigen Ba-Wü zu Baden oder Württemberg, der Rest zu Vorderösterreich (Breisgau und Teile Oberschwabens, auch Konstanz), der Pfalz (Kurpfalz), Fürstenberg (verstreut im Süden), Hohenzollern, sowie Klosterherrschaften, Fürstbistümern und Reichsstädten. Erst durch Napoleon kamen diese Gebiete zu Baden oder Württemberg (Hohenzollern nicht, es kam später zu Preußen), konnten aber dank der zwischenzeitlich erreichten Religionsfreiheit ihre jeweilige Konfession behalten. Heute sind mehr Baden-Württemberger katholisch als evangelisch.

Wobei wir, Roland und Ute, uns relativ sicher sind, dass es im badischen Teile Baden-Württembergs noch mehr Katholiken gibt als in den schwäbischen Teilen. Wenn wir von unseren Ursprungsorten ausgehen stimmt es auf jeden Fall. Hier in Konstanz überwiegt die katholische Bevölkerung und wenn man sich die Anzahl der älteren und alten Kirchen ansieht, dann überwog wohl meist die katholische Bevölkerung. Die konstanzer Kirchengeschichte bestätigt das, denn 1865 begann der Bau der ersten evangelischen Kirche, der Lutherkirche.

5. Die Rivalität zwischen Württemberg und Baden kam ebenfalls durch die ehemaligen Herrscher zustande. Die Württemberger (und bis ins etwa 1800 auch die Habsburger) versuchten jahrhundertelang, den seit dem Mittelalter vakanten Titel ¾Herzog von Schwaben “ zu erlangen, um Ansprüche auf eine Vorherrschaft im Schwäbischen Reichskreis zu sichern, zu dem auch (das damalige) Baden gehörte. Nach Napoleon versuchten die Herrscher Badens, dem quasi neu zusammengewürfelten Land mit seinen unterschiedlichen landsmannschaftlichen Zugehörigkeiten eine eigene Identität zu geben. Da die Württemberger den Anspruch auf Schwaben stellten (womit sie nie erfolg hatten), propagierten die Badener, dass ihre Untertanen gar keine Schwaben (womit damals noch alle Alemannen außer Schweizer und Elsässer gemeint waren) oder Franken seien, sondern Badener. Und jenes wollte irgendwann auch keiner mehr, da ständig schwabenfeindliche Propaganda betrieben wurde (nach dem Denkmuster: ¾Schwaben sind schlecht? Dann bin ich kein Schwabe. “) â€â€œ eine ziemlich nachhaltige Propagandaaktion, die anscheinend bis heute nachwirkt (v.a. in Fußballstadien). Der Streit um den Südweststaat tat sein Übriges. Hier ging es aber ebenfalls eher um den eigenen Machterhalt. Die Kreise Konstanz, Stockach und Überlingen (also die wichtigsten ;-) ) haben übrigens schon beim ersten Mal für Baden-Württemberg gestimmt.

Spannend finde ich, dass es einerseits teils bis heute diese Rivalität gibt, auch wenn sie inzwischen wohl kaum mehr irgendwo anders als scherzhaft betrieben wird. Andererseits gibt es immer wieder auch in Konstanz wohnende Menschen, die glauben, dass sie sich hier im schwäbischen Teil Baden-Württembergs befinden, tragischerweise. ;-)

Bundesländer zusammenlegen

Trotz all dieser Rivalität ist das Baden-Württemberg, wie gewohnt, das Musterländle in aktuellen Diskussionen. Denn zumindest bisher gelang es sonst noch nicht, mehrere Länder zu einem Bundesland zu vereinigen. Bei der Berichterstattung wird ja nicht erwähnt, dass die offizielle Zusammenlegung von 1952 noch lange vom Heimatbund Badnerland bekämpft wurde. Die endgültige Abstimmung nach erneutem Volksbegehren fand ja erst 1970, also 18 Jahre später, statt.

Ob diese Abstimmung zu jedem Zeitpunkt so klar für die Zusammenlegung gewesen wäre ist doch eher fraglich. Deshalb glaube ich kaum, dass sich ähnliches so einfach durchsetzen lässt, wie ja auch der Versuch Berlin und Brandenburg zu verbinden 1996 zeigte, als die fehlende Mehrheit in Brandenburg das verhinderte.

Die Bilder stammen alle vom diesjährigen Fasnetsumzug in Konstanz, bei dem wieder über 380o Hästräger und trotz morgendlichem Schneefall noch rund 18.000 Zuschauer dabei waren.


Kommentare

3 Antworten zu „Musterländle Baden-Württemberg“

  1. Ja, aber mittlerweile ist auch glaube ich, der überwiegende Teil Württembergs katholisch, aber nur mit knapper Mehrheit :). Naja, ich bin ja selber Schwabe und Württemberger und wohne in einem urschwäbischen Ort ,,uff d’r Alb“. Die Sticheleien, die meistens natürlich nur scherzhaft sind, gehören natürlich dazu, solange sie nicht zu beleidigend werden, finde ich. Wir alle können stolz sein (Badener, Schwaben, Kurpfälzer, Franken usw) auf unser ,,Musterländle“ Baden-Württemberg, schließlich sind wir eines der erfolgreichsten Bundesländer Deutschlands. Ich mag die Badener, bin öfters im Schwarzwald und da dann in der Nähe von Villingen-Schwenningen, wo es natürlich auch heftige Sticheleien zwischen dem badischen Villingen und dem württembergischen Schwenningen gibt. :) Aber ich bin gern im Schwarzwald, meine schwäbische Oma lebt dort und sie hat bisher nur gute Erfahrungen gemacht. Doch trotz das ich die Badener mag, werde ich es nie wagen, in Konstanz, Ãēberlingen, Meersburg oder Hagnau zu sagen, ich bin am Schwäbischen Meer :). Wenn ich in Friedrichshafen bin, dann kann ich es ja ruhig sagen, denn da ist der Bodensee ja wirklich schwäbisch. :)

  2. Solange die Sticheleien scherzhaft bleiben mag ich sie. Im Schwarzwald sind sich die meisten ja sowieso einig, dass sie vor allem Schwarzwälder sind und erst danach dann Badener oder Schwaben.

    Ich freue mich über alle Schwaben, die das Schwäbische Meer nur in den schwäbischen Orten des Sees so nennen. :)

  3. […] Konstanzerisch gehört zum Bodenseealemannisch, welches eine Variante des Alemannischen ist, selbst die Wikipedia gibts auf alemannisch. Badisch ist es irgendwie auch noch, denn Konstanz liegt in Baden, aber das ist nicht so einfach mit Baden und Württemberg, mehr dazu siehe im Artikel Musterländle Baden-Württemberg. […]

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